Reisebericht

Christlich-Muslimisches Begegnungswochenende

13.09. – 16.09.2018 • Münsterschwarzach

Christlich- muslimisches Begegnungswochenende
oder
„Hoffnung“

Ein Jahr nach unserer ersten Summerschool in Kosovo und Albanien trafen wir, das sind 11 katholische Studenten von der philosophisch- theologischen Hochschule St. Georgen und 11 muslimische Teilnehmer vom Forum für Interkulturellen Dialog (FID e.V.), uns erneut, diesmal im Kloster Münsterschwarzach.

Zum Kloster Münsterschwarzach

Unser Begegnungswochenende fand im Kloster Münsterschwarzach, einem Benediktinerkloster in den Franken, in welchem 80 Mönche leben, statt und ist mit über 100 Jahren eine der ältesten Klöster Deutschlands. Wir hatten das Vergnügen etwas von dem Klosterleben mitzuerleben und es mit unserem eigenen interreligiösen Programm zu gestalten.

Ziel dieses Zusammenkommens war einerseits eine Fortführung und Vertiefung der ersten Reise und andererseits eine thematische Auseinandersetzung mit Gottesverständnissen in Christentum und Islam. Die Gruppe bestand teils aus den Teilnehmern, die auch letztes Jahr in Kosovo und Albanien waren und teils aus neuen Teilnehmern. Diese neue Mischung hat sich gut zusammengefunden: alte Freundschaften haben sich gefestigt und durch die dazukommenden Studenten haben sich neue Freundschaften gebildet.

Erster Halt: Würzburg

Wir haben uns zunächst in Würzburg getroffen und das Diözesanmuseum am Dom besucht. Dort hatten wir die Ehre eine Führung mit Dr. Jürgen Lenssen zu genießen, denn er ist gleichzeitig derjenige, der die Kunstsammlung bedacht und mit Fürsorge erstellt hat. In dem Museum dreht es sich ständig um die existenziellen Grundfragen des Menschen: „Wer bin ich?“, „Woher komme ich?“, „Woraus lebe ich und worauf zu?“ Unser Museumsbegleiter hat zu Beginn vor allem betont, dass es sich bei den Werken zu unserem Erstaunen nicht um kirchlich gebundene Künstler handelt. Bei der Auswahl der Bilder war es ihm wichtig, dass es beim Betrachten der Werke zu einer Diskussion kommt. Denn seiner Meinung nach ist die Suche nach Gott „immer ein Ringen mit Gott“. Diese Diskussion und das „Ringen“ konnten wir sehr gut in den Bildern und beim Vergleich der Gottesdarstellungen zu unterschiedlichen Epochen beobachten. Dieser Ansatz ermöglicht es eine neue Welt- und Glaubenssicht zu öffnen und macht das Museum zu einem Ort des Dialogs. Ich denke, dass wir uns durch die Führung sehr gut auf das Thema unserer Reise einfühlen konnten. Während der Führung befanden wir uns auf einer Reise voller Farben und Formen, die mit unterschiedlich bedachten Gedanken verziert wurden. Ein jeder hat sich in einem anderen Bild wiedergefunden und konnte seine eigenen Vorstellungen noch einmal reflektieren.

Interreligiöses Kochen

Wir haben nicht nur unsere Worte, sondern auch unsere Kochkünste sprechen lassen und in interreligiösen Teams gekocht, gespült und alles was dazu gehört. Bunt wie unsere Gruppe war auch dementsprechend das Essen: es gab alles von Spaghetti bis türkische Linsensuppe und einen krönenden Abschluss mit der „Maqluba“, einem orientalischen Gericht.

Gottesverständnis in Christentum und Islam

Inhaltlich drehte sich unsere spirituelle Reise um eine Frage, mit der sich die gesamte Menschheit befasst hat, den Glauben an Gott. Ziel war es nicht eine exakte Antwort auf diese Frage zu finden, sondern die unterschiedlichen Gottesvorstellungen in den Religionen zu erfahren und unter einem anderen Licht zu beleuchten. „Wir sprechen, wenn wir von Gott sprechen, über etwas, worüber wir keine Ahnung haben, aber Sehnsucht.“ sagte uns bereits der Museumsbegleiter im  Diözesanmuseum. Daher haben wir uns an das Thema sowohl theoretisch durch Impulsreferate, als auch praktisch anhand von Übungen und persönlichen Gruppengesprächen herangetastet.

In einer Übung haben wir die unterschiedlichen persönlichen Assoziationen zu Gott zusammengetragen und es fiel auf, dass wir nicht unterscheiden konnten bei welchen Eigenschaften Gottes es sich um christliche oder muslimische Eindrücke handelt. An der Stelle wurde jedem erneut der gemeinsame Glaube an Gott deutlich. Wie sehr wir uns in unserem Glauben ähneln, aber nichts davon wissen dachten wir uns.

Einer der christlichen Teilnehmenden berichtet:               
                                                 
„Ich habe oft gemerkt, dass wir, wenn wir gleiche Begriffe verwenden, manchmal in der Erklärung unterschiedliche Dinge meinen, aber spannenderweise, wenn wir unterschiedliche Begriffe verwenden und darüber reden, merken wir, wir meinen doch das Gleiche oder etwas sehr Ähnliches.“

In einer weiteren Einheit haben wir uns mit einem Element beschäftigt, das alle Menschen miteinander verbindet. Musik. Das Gottesverständnis beider Religionen wird nun in eine musikalische Form getragen. Wir lauschen gemeinsam dem zarten Klingen der Namen Ya Cemil Ya Allah Ya Karib Ya Allah Ya Mucib Ya Allah und singen anschließend christliche Lobpreisungen. Alle Namen und Eigenschaften Gottes schmelzen in diesem Moment zusammen und ergeben eins. Den Einen Gott. Allah oder Gott? Augenblicklich sind die Bezeichnungen gleichgültig, denn die Herzen spüren den Einen, Ewigen. Es ist unfassbar zu sehen, in wie vielen Punkten wir auf den selben Nenner kommen und wie ähnlich wir uns in Wirklichkeit sind – trotz der Unterschiede.
In der nächsten Einheit beschäftigen wir uns mit dem Prinzip und Fundament der ignatianischen Exerzitien, die vom Pater eingeführt wird. Wir merken, wie jedes einzelne Prinzip und Ziel unser Eigenes widerspiegelt. Hier heißt es: „Der Mensch ist geschaffen dazu hin, Gott unseren Herrn zu loben, Ihm Ehrfurcht zu erweisen und zu dienen […]1 Erstaunlicherweise ist es möglich, diese Prinzipien eins zu eins mit Koranversen und prophetischen Überlieferungen zu belegen. So gleichen sich nicht nur die essentiellen Fragen beider Konfessionen wie: Woher kommt der Mensch? Wohin geht er? Was ist sein Ziel und seine Sehnsucht?, mit denen unsere religiöse Identität ununterbrochen konfrontiert ist, sondern auch ihre Antworten. Glauben wirr an den gleichen Gott? Ja, das tun wir gewiss, denn es gibt nur einen…
 
Mit einem interreligösen Spaziergang zu zweit wird die Einheit fortgesetzt, und wir erhalten die Gelegenheit in der spirituellen Sphäre von Münsterschwarzach uns nochmals auf einer persönlichen Ebene auszutauschen. Eine muslimische Teilnehmerin beschreibt ihre Gefühle während des Spaziergangs: „Der Spaziergang und das Gespräch mit meinem christlichen Partner motiviert mich im Innersten, denn ich erkenne, dass die gleichen Ängste und Sorgen unsere Seelen bedrücken und unsere Herzen sich nach den gleichen Zielen und Wünschen sehnen.“
 
Gespräch mit einem christlichen und muslimischen Gelehrten

An jeweils einem Abend besuchte uns ein muslimischer Gelehrte, der uns einen Vortrag über die Namen und Eigenschaften Gottes hielt und am darauffolgenden Abend kam ein Benediktinermönch aus dem Kloster, berichtete uns von dem Klosterleben und seinem persönlichen Werdegang. Wir konnten bei beiden Gelehrten unterschiedliche Zugänge zu Gott erkennen. Anhand der Gespräche mit ihnen konnten wir als Gruppe unsere eigene Gottesvorstellung reflektieren und ein feineres Gespür für das Gottesverständnis der jeweils anderen Religion entwickeln.

Insgesamt war es faszinierend mit Christen und Muslimen auf so unterschiedlichen Wegen Gott zu erfahren, sei es künstlerisch mit unterschiedlichen farblichen Kompositionen als auch musikalisch in unterschiedlichen Dur- und Molltonarten- in allem haben wir mit all unseren Sinnen Gott erfahren, über Gott gesprochen und Gott angebetet unabhängig davon, ob der Nächste die eigene Gottesvorstellung mit einem teilt – in einem Ton voll Respekt und Achtung und über ein Thema, weshalb sich Menschen jahrhundertelang bekriegt haben. All das haben wir geschafft!

Hoffnung tanken

“Du bist die einzigste Hoffnung in dieser Zeit” und “Dein Wort ist die Hoffnung” so heißt es in den Stundengebetsbüchern des Benediktinerklosters und auch so beten die Muslime “Ya Münteher`recaya” “Oh Du letzte Instanz der Hoffnungen”[1] (Cevsen`ül Kebir, 7/3Bab) und “Ya Reca” (91/8 Bab)   “O Du Hoffnung”.

Ich denke auch in unserem Handeln als Gruppe wurde ein Name Gottes widerspiegelt- der Name der Hoffnung, vor allem in einer Zeit voller Egoismus, Selbstbesessenheit und Selbstsucht. In einer Zeit, in der wir vom Rechtspopulismus überrumpelt werden und nicht mehr wissen, ob es noch Licht am Ende des Tunnels gibt.

Ich meinerseits konnte dank diesem spirituellen Wochenende erneut Hoffnung volltanken und zuversichtlicher auf die Zukunft blicken.

Wir haben es geschafft trotz aller Unterschiede zusammenkommen und ein Zeichen für den interreligiösen Dialog und Frieden zu setzen. Wir danken hiermit nochmals allen Teilnehmern, da sie es ermöglicht haben durch ihr Engagement und ihre Offenheit dieses Gefühl der Hoffnung in dieser zwiespältigen Zeit zu verspüren. Auf weitere Hoffnung- und friedensstiftende Zusammentreffen… 
 
 von Cagla Ekici und Sümeyye Balci

[1] Das Prinzip und Fundament der Exerzitien EB 23. 

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