Liebe Freundinnen und Freunde des Dialogs,

der 19. Februar 2020 ist für viele Deutsche mit Migrationsgeschichte einer der einschneidendsten Tage des 21. Jahrhunderts. Gökhan Gültekin, Sedat Gürbüz, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Hamza Kurtović, Vili Viorel Păun, Fatih Saraçoğlu, Ferhat Unvar und Kaloyan Velkov wurden an diesem Tag Opfer eines rassistisch motivierten, terroristischen Anschlags in Hanau. Anschließend tötete der Täter noch seine Mutter.

Für viele Betroffene von Rassismus wurde der 19. Februar zur Zäsur, denn für sie hat er eines verdeutlicht: Auch heute gibt es noch Menschen, die andere allein aufgrund von ihrer Hautfarbe und ihrer vermeintlichen Herkunft so sehr hassen, dass sie bereit sind zu morden. Mit diesem Bewusstsein müssen vor allem jene Menschen leben, deren Alltag ohnehin schon allzuoft von Diskriminierungserfahrungen durchzogen ist. Als Forum für Interkulturellen Dialog ist es uns ein großes Anliegen, diese Probleme zu benennen und transparent zu machen.

Das ist wichtig, denn dass der Tag nicht für alle gleichschwer wiegt, zeigte sich bereits im letzten Jahr: Während die einen Aufgrund von Trauma, Angst und Unsicherheit in ihrer Freiheit beschnitten wurden, feierte manch anderer kurz später unbeschwert Fastnacht. Dazu überhaupt in der Lage zu sein ist ein Privileg und sich dessen bewusst zu sein ein notwendiger Schritt auf dem Weg zu einer solidarischen und antirassistischen Gesellschaft.

Der Massenmord ist einer von vielen Beweisen dafür, dass Deutschland das noch lange nicht ist. Denn er offenbarte nicht nur das Ausmaß der Gewaltbereitschaft rassistischer Täter:innen in der Bundesrepublik, er bestätigte auch die Existenz jenes Nährbodens, den menschenfeindliche Ideologien zum Wachsen benötigen. Entgegen aller Einzeltäter:innennarrative und Versuche der Schuldabwehr rechtsextremer Parteien beginnt und endet das Problem nicht mit einer konkreten Tat oder einem:r spezifischen Täter:in.

Für die Traumatisierungen der überlebenden Opfer und aller Angehörigen können kaum angemessene Worte gefunden werden. Ihnen gilt unsere volle Solidarität. Den Ermordeten gedenken wir und lassen sie in unseren Erinnerungen weiterleben.

Das darf aber nicht alles sein! Das Gedenken befreit uns nicht von der lange noch nicht abgeschlossene Aufarbeitung der Tat, sowie der Einrichtung und Ausweitung von Maßnahmen zur Prävention von Rassismus und menschenfeindlicher Gewalt. Eine Gesellschaft, in der die Werte der Freiheit und Gleichheit nicht kategorisch für jeden und jede gelten und in der die bedingungslose Achtung der Menschenwürde nicht selbstverständlich ist, ist unerträglich.

Herzlichst,

Ihr Kadir Boyaci
Vorstandsvorsitzender